
The House is on Fire Lets Move
The House was indeed on Fire: Eigentlich ist es schwer in Worte zu fassen, was am 17. Mai 2025 im Studio Weißensee passierte. Es hatte etwas Underground, Indie und Folkmäßiges aber auch etwas von einem Kammerspiel. Fabiani Franca provoziert anfangs mit einem seduktiven Tanz, der zeitgleich ein faszinierendes Schattenspiel an eine weiße Leinwand projiziert, und wechselt dann zu klassischen Ballettübungen und modernen Ausdruckstanz, die Formen innerer Anstrengungen, Zerrissenheit und anderen emotionalen Zuständen anzudeuten scheinen. Währenddessen wird sie live von Emma Quinlans Gesang und Julian Florez an der Gitarre begleitet, bis sie letztendlich in einem amüsanten – für das Publikum dann auch vielleicht schon kathartischen – Gespräch mit Chat GPT über den Imperativ des Modalverbs „wollen“ philosophiert. Und das Publikum? Es staunt, macht mit und wird insgeheim während des gesamten Events in einen – oder vielleicht sogar in ihren – Bann gezogen.
Choreographies of the Mind
Fabiani Franca, SBW Berlin Stipendiatin und Master-Studierende an der FU Berlin, beschäftigt sich mit Affektregulation (Emotionsregulation oder der Einfluss auf die Art, die Intensität und die Dauer von Emotionen) durch Tanztheatermethoden, inszeniert Tanztheaterstücke zum Thema psychische Gesundheit und plant auch wissenschaftliche Evaluationen (u.a. in Form von diversen Workshops). Im Rahmen ihres sozialen Projektes „The House is on Fire Let’s Move: Choreographies of the Mind – Bridging the Worlds of Dancing, Theater, and Neuroscience” stellte sie ihre erste disziplinübergreifende Aufführung vor, in der sie mit verschiedenen Künstler:innen (Emma Quinlan, Findus Music, Julian Florez und Dan K. Sigurd) kollaborierte. Musik, Tanz, Theater und Neuroscience fließen hier spielend ineinander über und das Publikum, ob es will oder nicht, wird Teil dieses Spiels bzw. dieser Performance.
Vergangenheit und Gegenwart treffen aufeinander
Da mentale Gesundheit und die Auseinandersetzungen zwischen „Ich“ und „Wir“ sowie Vergangenheit und Gegenwart wichtige Aspekte Fabianis Projekt sind, forderte sie während der Performance jeden Einzelnen im Publikum heraus, nicht nur in sich hineinzukehren, über seine Vorfahren und Familie nachzudenken und in gewisser Weise mit ihnen (fiktiv) zu kommunizieren, sondern sich auch gleichzeitig anderen vor Ort zu öffnen. Plötzlich weist Fabiani während der Performance auf die im Raum verteilten Papierzettel und Stifte hin und spricht das Publikum direkt an: „Was würdet ihr eure Vorfahren fragen wollen?“ Sie selbst beginnt zu schreiben und immer mehr Zuschauende folgen ihr. Die Zettel werden in einen Hut geworfen und wieder ausgeteilt. Still lesen wir die Antwort eines anderen, eines Fremden und doch ist es ein intimer ja gemeinschaftlicher Moment. Fabiani nimmt selbst einen Zettel und zitiert: „Eigentlich kenn ich euch gar nicht richtig. Ich wünschte, ich wüsste mehr über euch.“ Eine laute Stille ergreift das Publikum. Vielleicht ist man hier doch nicht allein?
Ein Wolf, ein Rudel, eine melodische Gemeinschaft
Diese Frage stellten sich bestimmt schon einige während des ersten Teils des Events: Concert Findus Music. Während der Live-Musikperformance bewirkte Findus schon dieses Gefühl der Gemeinschaft, das Gegenüber des Ichs versus Wirs. Alle waren eingeladen, wie ein Wolf zu heulen und somit den Refrain eines Liedes mitzusingen bzw. melodisch „mitzuheulen.“ Das Publikum – die einzelnen Partizipierenden – wurde(n) zu Wölfen, einem Rudel, einer Gemeinschaft und auch hier schon Teil der Performance selbst.
Will ich wollen?
Unerwarteterweise rundete der Umgang mit künstlicher Intelligenz die Aufführung ab und Chat GPT reflektierte über „wollen“, „nicht wollen“ und „will“. Das Publikum wollte jedenfalls an diesem Abend dabei sein, aber vielleicht war es mehr dabei, als es eigentlich wollte. Wir, hier bei der SBW Berlin, gratulieren jedenfalls Fabiani zu einer gelungenen Aufführung und sind schon sehr gespannt auf ihre nächste Inszenierung.
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